Wirtschaften im Dienst des Lebens: Ökonomische Verantwortung wahrnehmen

Erklärung des Rates der Schwestern und Brüder der Bayerischen Pfarrbruderschaft zur IX. Vollversammlung des ÖRK vom 14.-23. Februar 2006 in Porto Alegre.

Unter dem Motto "Gott in deiner Gnade verwandle die Welt" sollen bei dieser Vollversammlung vor allem die Anliegen, Aktivitäten und Hoffnungen junger Menschen im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Eines der Hauptthemen ist dabei die Frage "wirtschaftlicher Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung".

Das dazu erstellte Hintergrunddokument - AGAPE (Alternative Globalisierung im Dienst von Menschen und Erde) - fasst die Ergebnisse eines achtjährigen Konsultationsprozesses unter den Mitgliedskirchen des ÖRK (Ökumenischer Rat der Kirchen) zum Thema Globalisierung zusammen. Dieser Prozess führte zu einer großen Übereinstimmung in der Ablehnung der neoliberalen Globalisierung, in der Kritik am gegenwärtigen Welthandel und an den internationalen Finanzmärkten.

Ausgehend vom Motto "Gott in deiner Gnade verwandle die Welt" wird im AGAPE-Dokument klargestellt, dass das neoliberale System nicht nur eine soziale und ethische, sondern auch eine spirituelle Herausforderung ist und den Kern unseres Glaubens berührt. Im letzten Abschnitt werden die Kirchen aufgerufen, selbst zu verwandelnden Gemeinschaften zu werden und eine lebensbejahende Vision der "Oikumene" zu entwickeln.

Die Bayerische Pfarrbruderschaft hat über Jahre hinweg spirituelle, soziale und ökonomische Fragen der Gerechtigkeit bearbeitet. Mit folgenden Impulsen laden wir die bayerischen Delegierten der ÖRK-Vollversammlung in Porto Alegre sowie die kirchliche Öffentlichkeit auf allen Ebenen ein zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dieser Problematik.

  1. Der anhaltende Abbau von Arbeitsplätzen hindert immer mehr Menschen in unserem Land, ihrer göttlichen Berufung zu einem Leben in Würde zu folgen. Eine stetig wachsende Arbeitslosigkeit stürzt immer mehr Menschen in Armut; auch Kinder gelten - nicht nur für Alleinerziehende - als Armutsrisiko. Darin erkennen wir Folgen einer fehlgeleiteten Globalisierung, die auch in anderen Ländern der Erde vielen Menschen ihre Lebensgrundlage entzieht.

  2. Die Kirche und ihre Glieder wirken mit an der in Jesus Christus begonnenen Verwandlung der Welt. Das Evangelium ruft zu ökonomischer Verantwortung. Wirtschaftliches Handeln soll dem Leben dienen anstatt es zu gefährden.

  3. Globalisierung halten wir für einen Prozess, der gestaltet werden muss. Derzeit geraten Frauen weiter ins Hintertreffen; viele Kinder und Jugendliche haben wenig Hoffnung auf eine Zukunft mit Arbeit und Familie. Der Wohlstand konzentriert sich bei etwa einem Fünftel der Bevölkerung. Die Angst vor Armut und vor Überfremdung prägt mittlerweile schon das Denken in der Mitte unserer Gesellschaft.

  4. Die Kirche ist selbst wirtschaftlicher Akteur. Sie verfügt über eigene Haushalte und viele Glieder tragen ökonomische Verantwortung in Unternehmen und Politik. Wir fordern einen Diskussionsprozess mit dem Ziel, global verantwortete wirtschaftsethische Leitlinien zu erarbeiten, die für das Wirtschaften der Kirche in Gemeinden, Werken und Diensten gelten und das Handeln ihrer Glieder orientieren.

  5. Ökonomische Verantwortung erschöpft sich nicht in einem Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft und zum fairen Handel. Neben ethischen Anlagen geht es auch um eine Positionierung gegenüber internationalen Entscheidungsträgern (EU, WTO etc.). Dabei sehen wir, dass kirchliche Einflussnahme auf das "globale Imperium" nicht mehr im gleichen Maße möglich ist wie in der alten Bundesrepublik. Deshalb bedarf es einer neuen Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Kapitalismus.

  6. Manager und Arbeitgeber tragen für die Folgen von Arbeitsplatzabbau auch persönlich Verantwortung. Es gilt, diakonisch-gesellschaftliche Verantwortung in der Politik wie auch als Teil der Unternehmensethik zu etablieren.

  7. Das Verhältnis der Kirche zum Reichtum, einerseits in der Gesellschaft und andererseits bei sich selbst, drängt auf Klärung. Dabei geht es z.B. um die Prävention und Sanktion von Steuerflucht, oder darum, ob Kirchen und Christen überhöhte Zinsen und Renditen in Anspruch nehmen können. In der Forderung nach Sozialverantwortung des Eigentums stimmt das Grundgesetz mit dem Evangelium überein. Diese gilt es nachhaltig einzufordern.

    Unsere Wirtschaftsordnung hat sich in jüngster Vergangenheit in einer Richtung verändert, die den inneren und den äußeren Frieden unseres Landes gefährdet. Kirche darf dazu nicht schweigen. 

    Die bayerischen Delegierten zur Tagung des ÖRK fordern wir auf:
    • in Wahrnehmung ökonomischer Verantwortung in Porto Alegre diese drängenden Fragen voranzubringen.
    • sich einzusetzen für eine gemeinsame ethische Bewertung des Reichtums durch die Vollversammlung.
    • die Gelegenheit zu nutzen, um bayerische Beschlüsse zur Globalisierung mit Delegierten anderer Länder zu diskutieren und deren Meinung in die ELKB zurück zu tragen.
    • durch die Verbreitung der Beschlüsse und Diskussionen nach der Vollversammlung in Bayern Impulse zu setzen.

    Die Bayerische Pfarrbruderschaft bietet dabei ihre Unterstützung an. Sachkompetente Referentinnen und Referenten aus ihren Reihen sind bereit zu Vorträgen, Seminaren etc. in Gemeinden, Pfarrkapitel o.ä. zu kommen, um diese Problematik zu erörtern und gangbare Schritte ökonomischer Verantwortung zu diskutieren.