Januartagung 2015
12.01.2015 in Nürnberg

„Macht euch nicht der Welt gleich!“
Die Barmer Theologische Erklärung und die Gestalt der Kirche heute - mit Prof. Dr. Hans G. Ulrich

1934 – das ist das Gründungsjahr der Bayerischen Pfarrbruderschaft und zugleich das Datum der Barmer Theologischen Erklärung. Die Koinzidenz ist nicht zufällig, ist doch die Bayerische Pfarrbruderschaft der Zusammenschluss der – damals nur –Pfarrer, die sich der Bekennenden Kirche verbunden fühlten.

Heute wird diskutiert, ob das Barmer Bekenntnis in die Bekenntnisschriften der bayerischen Landeskirche aufgenommen werden soll. Und Kardinal Marx rühmt „das Christusbekenntnis“ als verbindendes Element der beiden großen Kirchen zum Reformationsjubiläum.

Prof. Ulrich diskutiert das in drei Schritten:

1. Das Grundlegende:

Barmen I betont, dass es nur eine Bekenntnisquelle geben kann: den in der Schrift bezeugten Glauben an Christus, also weder das „gesunde Volksempfinden“ noch irgendeinen „Wertekanon“. Barmen II bekennt die Befreiung, die das bedeutet. Die Frage ist, wovon die Kirche heute befreit werden muss. Jedenfalls, so Barmen V, von der Versuchung, sich staatsförmig zu geben, aber auch davon, gegenüber staatlichen Eingriffen in die Menschenwürde still zu halten. Vielleicht ist auch der Anspruch des weltweiten Finanzkapitals auf ungehinderte Profite, wie er in den Investitionsschutzabkommen TTIP, CETA etc. zum Ausdruck kommt, ein Bekenntnisfall im Sinn von Barmen.

2. Die sichtbare Kirche – ihre Gestaltung und öffentliche Präsenz:

So nennt Ulrich den zweiten Teil seiner Überlegungen. Anhand der Thesen III. IV und VI diskutiert er das Verhältnis von Kirche und Staat als Spannung und Kooperation. Er reklamiert auch für den Staat die Barmer These, dass Ämter keine Herrschaft, sondern nur einen Dienst begründen können. Die Kirche sei nicht ein Verband unter anderen, sondern dem öffentlichen Dienst an Gottes Wort für die Welt verpflichtet.

3. Das Verhältnis zwischen Kirche und Politik:

Schließlich bestimmt Barmen in der These V das Verhältnis zwischen Kirche und Politik. Kirche kann sich öffentlich äußern, aber auf einer klaren biblisch-theologischen Grundlage. „Menschenrechte“ oder „Lebensdienlichkeit“ allein genügt dem Referenten da noch nicht. Das aus Römer 12,2 entnommene Thema der Tagung „ Macht euch nicht der Welt gleich“ übersetzt Ulrich so, „übernehmt nicht die Deutungsmuster der Welt, sondern erneuert euch“.

Nur eine erneuerungsfähige Kirche ist, so Ulrich, eine bekenntnisfähige Kirche. Eine Kirche, die sich vollkommen in Ordnung findet, wäre das nicht. Jesus Christus ist seiner Kirche immer „voraus“ und stellt sie in Frage.

Die Frage, ob Barmen unter die Bekenntnisschriften gehöre, beantwortet der Referent so: Barmen ist nicht „das“ Bekenntnis der Kirche, aber es ist eine notwendige Reibungsfläche, an der aktuelle Bekenntnisse entstehen können.

Und es eignet sich als „ökumenisches“ Bekenntnis, weil es Christus in die Mitte stellt. Selbst in seinen Verwerfungen gibt es darüber Auskunft.

Dr. Hans-Gerhard Koch