Karl Eberlein

Zeitgemäß und schriftgemäß: Friedrich Mildenberger
Auf den Spuren eines sperrigen Theologen

Lit-Verlag 2022 (Theologische Orientierungen Bd. 47)

XVI + 455 Seiten, 49,90 €


Seit Beginn meines Ruhestands  habe ich mich nochmals etwas intensiver auf die Spuren des theologischen Lehrers Friedrich Mildenberger begeben. Etliche seiner Impulse sind mir mein ganzes pastorales Berufsleben hindurch wichtig gewesen. Manches konnte ich allerdings in dieser aktiven Zeit nur am Rande wahrnehmen. Das galt vor allem auch für Mildenbergers Opus magnum, die dreibändige Biblische Dogmatik. Zu all dem war nun im Ruhestand ausreichend Zeit.

Als Ergebnis ist ein Buch herausgekommen, das erheblich umfangreicher wurde, als ich ursprünglich plante. Ich habe dieses Buch in der Überzeugung geschrieben, dass die Richtung des Denkens, die bei Mildenberger erkennbar ist, auch für unsere kirchliche und theologische Gegenwart und Zukunft wichtig ist und bleibt. Damit ist auch ein kritisches Weiter-Denken verbunden. Ich darf dazu aus dem Vorwort zitieren:

„Ein solches Nach- und Weiter-Denken halte ich umso mehr für geboten, weil dem theologischen Werk Mildenbergers nach meinem Eindruck keineswegs die Beachtung zuteil wurde und wird, die es eigentlich verdient hätte. In der Tat ist es eine Herausforderung ganz eigener Art, sich einem Denken zu stellen, das wenig gefällig daherkommt, aber gerade in seiner Sperrigkeit als zeit- und schriftgemäß erfahren werden kann.“

Wenn man sich das Schrifttum Mildenbergers vergegenwärtigt, dann ist deutlich, dass sich bestimmte theologische Grundeinsichten in einer beeindruckenden Kontinuität durch die Jahrzehnte seines Wirkens durchhalten, auch wenn es natürlich Weiterentwicklungen gegeben hat. Deutlich ist ebenso der ganze Reichtum seines Denkens, das immer auch über die Grenzen der eigenen dogmatischen Disziplin hinausgeschaut hat. Das alles hat freilich das Vorhaben, eine lesbare Darstellung des theologischen Erbes Mildenbergers zu geben, nicht leicht gemacht – zumal (so mein fester Vorsatz) die Linien auch immer wieder über Mildenberger hinaus in unsere unmittelbare Gegenwart gezogen werden sollten.

Eine entscheidende Hilfestellung wurde für mich in der Art der Darstellung die Gedenkrede, die Mildenberger auf einer Akademischen Feier der Universität Tübingen für seinen 1975 verstorbenen Lehrer Hermann Diem gehalten hat. Selber nun schon seit einigen Jahren Professor in Erlangen, skizziert Mildenberger an „drei Problemkreisen“, „was es heißt, der Herausforderung Hermann Diems zu folgen“: Er nennt hier die „Frage nach der Einheit der Schrift“, die „Frage nach der Einheit der Theologie“ sowie die „Frage nach der Einheit der Kirche“. Eben diese Benennungen wurden für mich selber der Leitfaden der Darstellung. Zu diesen drei Problemkreisen stellte ich noch einen vierten dazu, der schon bei Diem und sodann bei Mildenberger ebenfalls eine zentrale Rolle spielte: die Frage nach der Einheit der Gotteserkenntnis und die damit für Mildenberger zentral wichtige Theologie des Namens Gottes mit ihren christologischen und pneumatologischen Konsequenzen.

 

Die genannten vier Themenbereiche bilden den zweiten und im Umfang größten Hauptteil meines Buches („B. Thematische Schwerpunkte“). In einem ersten Teil A geht es zunächst um „Annäherungen und Verortungen“. Hier kommen auch meine persönlichen Zugänge zum Denken und zur Person Mildenbergers in der gebotenen Kürze zur Darstellung, auch der Prackenfelser Kreis findet gebührende Erwähnung. Mit den „Verortungen“ geht es darum, die theologische Landschaft weiter auszuleuchten, in der sich Mildenberger bewegt hat. Neben Hermann Diem spielen hier Karl Barth und Rudolf Bultmann, aber auch Gerhard Ebeling und Ernst Fuchs eine wichtige Rolle.

Deutlicher als vorher wurde mir auch, wie sehr Mildenberger (bei aller zeitweiliger Polemik) auf Ausgleich aus war. Das zeigt sich etwa daran, wie er die Gemeinsamkeiten zwischen Karl Barth und Rudolf Bultmann betont und darüber hinaus Verbindungslinien zwischen Barth und Friedrich Schleiermacher zieht. Es zeigt sich auch darin, wie er zwar immer wieder bestimmte Verfahrensweisen historisch-kritischer Exegeten kritisiert, selber aber dann doch von den Erkenntnissen der exegetischen Zunft (vor allem in der Biblischen Dogmatik) reichlich Gebrauch macht. Nicht zu verschweigen war freilich auch seine Distanz zur Erlanger theologischen Tradition,   wie sie mit den Namen Werner Elert, Paul Althaus und Walter Künneth in Erscheinung trat.

Bei den benannten vier thematischen Schwerpunkten des zweiten Teiles meines Buches war mir wichtig, die Aktualität dieser Fragestellungen als solcher, aber auch die Gegenwartsrelevanz der spezifischen Denkrichtung Mildenbergers zur Darstellung zu bringen. Generell wurde mir nochmals deutlich, dass eine bestimmte Art des Denkens zwar keineswegs unkritisch betrachtet oder gar epigonenhaft imitiert werden sollte, aber allemal ihre Aktualität auch dann unter Beweis stellen kann, wenn man oberflächlich meint, die theologische und kirchliche Karawane wäre schon längst weitergezogen.

 

Die Gegenwartsrelevanz der Mildenbergerschen Denkrichtung hat sich für mich bei den ganz unterschiedlichen Themenkomplexen gezeigt. Man kann, aber muss nicht immer explizit darauf hinweisen. Ich nenne an dieser Stelle nur ein paar Beispiele:

  • Dass etwa die Frage nach der Einheit der Schrift keineswegs erledigt ist, zeigt z.B. die vor wenigen Jahren von Notger Slenczka neu losgetretene Debatte um die Stellung des Alten Testaments in der christlichen Kirche (und die dazu völlig konträre Position von Frank Crüsemann).
  • Wenn man verfolgt, wie lautstark aus bestimmten kirchlichen Ecken eine „Religionsunfähigkeit von Theologie und Kirche“ (Wilhelm Gräb) angeprangert wird, dann ist es aufschlussreich, nochmals nachzulesen, was Mildenberger schon vor Jahrzehnten (vielleicht etwas zu polemisch) „wider die religiöse Interpretation der Wirklichkeit in der modernen Theologie“ zu sagen hatte (so der Untertitel von „Theologie für die Zeit“).
  • Wenn man sieht, wie schwierig das Thema „Trinität“ in unterschiedlichen Kontexten ist, dann ist es durchaus hilfreich, sich Mildenbergers Kritik an bestimmten Spekulationen über innertrinitarische Beziehungsverhältnisse zu vergegenwärtigen.
  • Wenn man auf die aktuellen Kirchenreformdebatten schaut, dann tut es gut, sich Mildenbergers (und auch Hermann Diems) Ansatz bei der basalen kirchlichen Ebene (= Gemeinde) anzuschauen (dazu habe ich auch einen Exkurs verfasst).
  • Wenn man sich vergegenwärtigt, wie Mildenberger die Einheit der Theologie fokussiert hat, dann ist dies angesichts des Dauerproblems des Verhältnisses der theologischen Disziplinen zueinander von erheblicher Relevanz (auch deshalb, weil eine im Spezialistentum sich weiter zerfasernde Theologie auch der Kirche nicht viel hilft).
  • Nach Beginn des Kriegs in der Ukraine mit der diesen Krieg begleitenden Rhetorik haben für mich die Ausführungen Mildenbergers zur Friedensethik am Beginn der 1980er Jahre eine nochmals neue Relevanz bekommen (was mir bei der Niederschrift der entsprechenden Passagen so noch gar nicht deutlich war).

Einiges Weitere könnte ich jetzt anführen, aber die Beispiele mögen genügen.

Den Abschluss des Buches bilden ein ausführlicher Rückblick (für eilige Leser auch zur ersten Orientierung geeignet) sowie ein Epilog über „Evangelische Spiritualität als befreiendes Hören und Sehen“. Es folgen noch Anhänge zu bestimmten Themen und Fragen, die in der fortlaufenden Darstellung nicht mehr unterzubringen waren und auch den Anmerkungsteil überfrachtet hätten.

 

Ich habe strikt darauf geachtet, dass das Buch auch selektiv gelesen werden kann. Eine gewisse Redundanz in der Darstellung habe ich dafür in Kauf genommen.

Hingewiesen sei schließlich noch darauf, dass der Verlag unter „books.google.de“ Leseproben ins Internet gestellt hat.

 

Karl Eberlein, Pflug-Franken-Str. 13, 91154 Roth

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